Merkantile Wertminderung

Die merkantile Wertminderung ist diejenige Wertminderung, die einem Kraftfahrzeug nach einem Unfall zustößt, auch wenn der Schaden sachgerecht repariert wurde. Das Fahrzeug hat die Qualität der Unfallschadenfreiheit verloren, sein Marktwert sinkt gegenüber einem vergleichbaren Fahrzeug des gleichen Modells, Baujahres, der Laufleistung und Ausstattung ohne vorherigen Unfallschaden.

Einfluss und Berechnung der merkantilen Wertminderung

Sparschwein in einer Schraubzwinge.Der Einfluss der merkantilen Wertminderung beim Verkauf von Kraftfahrzeugen wird – auch juristisch – umso höher bewertet, je jünger das Fahrzeug ist und je geringer seine Laufleistung ausfällt. Bei älteren und viel gefahrenen Autos erwarten potenzielle Käufer nicht von vornherein, dass sie komplett unfallfrei gefahren sind, wozu auch sehr kleine Unfälle gehören. Damit verringert sich das „Misstrauen und Unbehagen“ eines potenziellen Käufers gegenüber einem Unfallwagen, das eine juristische Komponente in sich trägt. Im Streitfall gestehen die Gerichte für gewöhnlich dem Käufer eines jüngeren Unfallwagens den Anspruch auf Preisnachlass wegen der merkantilen Wertminderung zu. Bei älteren Wagen mit mehreren Vorbesitzern erwartet man von vornherein, dass wertminderungsempfindliche Käufer diese Fahrzeuge meiden. Es stellt sich aber regelmäßig die Frage, wie die merkantile Wertminderung zu berechnen ist – wohlgemerkt geht es um reparierte, technisch vollkommen intakte Fahrzeuge, von denen der Käufer nur nicht so recht weiß, ob sie einen verborgenen Schaden in sich tragen (der Klassiker ist das verzogene Chassis). Damit bezieht sich der merkantile Minderwert auf einen theoretischen Wertverlust, der durch eine eventuell noch anstehende Reparatur oder bei einem Wiederverkauf anfallen würde. Vor Gericht gelangen solche Fälle in den letzten Jahren gehäuft, weil es aktuell (2014) keine eindeutigen Berechnungsmethoden für die merkantile Wertminderung gibt und vielfach Rechenmodelle aus den 1960er Jahren angewendet werden, die der technischen Entwicklung im Fahrzeugbau längst nicht mehr gerecht werden. Diese Modelle unterstellen beispielsweise nach der oben genannten Auffassung – je jünger das Fahrzeug und je weniger Laufleistung, desto höher die merkantile Wertminderung – nur bei Pkws bis zum Alter von fünf Jahren und bis zur Laufleistung von 100.000 km die Möglichkeit einer merkantilen Wertminderung. Das siebenjährige, von einem früheren Unfallschaden betroffene Fahrzeug mit einer Laufleistung von 150.000 km wird unter dieser Maßgabe ohne Berücksichtigung einer merkantilen Wertminderung verkauft, im Nachhinein stößt das dem Käufer auf, er fordert eine Teilerstattung des Kaufpreises. Weigert sich der Verkäufer, gelangt der Fall vor Gericht. Wenn das Gericht nun bestimmte Faktoren ausklammert und das Fahrzeug nur wie üblich nach Baujahr, Kilometerstand und möglichen Reparaturkosten bewertet, kann das Ergebnis unbefriedigend ausfallen. In Österreich beispielsweise hat sich die Sacher-Wielke-Formel etabliert, die auch die Zahl der Vorbesitzer, die Zahl der Vorschäden und die Marktgängigkeit berücksichtigt.

Aktuelle juristische Bewertung der merkantilen Wertminderung

In Deutschland geht man zwar längst davon aus, dass Fahrzeuge 20 Jahre halten und 200.000 km zurücklegen, sich ihre Lebens- und Laufleistung also gegenüber den 1960er Jahren verdoppelt hat, doch noch immer erkennt nicht jedes Gericht die merkantile Wertminderung nach einem Unfallschaden auch bei älteren und intensiv gefahrenen Fahrzeugen an. Es gibt auch noch kein aktuelleres BGH-Urteil zu dieser Fragestellung, nur ein schwammiges aus dem Jahr 2004. Gerichte tendieren jedoch insgesamt seit den späteren 2000er Jahren zu folgenden Auffassungen:

  • Bei einem insgesamt guten Fahrzeugzustand erleidet auch ein älteres Fahrzeug (11 Jahre, 183.500 km Laufleistung) nach einem Unfall eine merkantile Wertminderung (LG Berlin, AZ 41 S 15/09).
  • Die alten Grenzen von 100.000 km und fünf Jahren könnten eventuell nicht mehr gelten (schwammige Formulierung, BGH, AZ VI ZR 357/03).
  • Die Grenzen w.o. (100.000 km, fünf Jahre) sind definitiv überholt (LG Gießen, AZ 1 S 231/12).

Das bedeutet, nicht mehr das Baujahr und die Laufleistung, sondern vorrangig der Zustand und die Zahl der Vorbesitzer beeinflussen heute eher die merkantile Wertminderung. Diese Auffassung vertritt der modernere Fachjurist Halbgewachs, während die frühere Auffassung auf der Methode Ruhkopf-Sahm basiert, die Fachvereine wie die DEKRA längst nicht mehr anwenden. Eine dritte aktuelle Methode ist das Hamburger Modell, nach dem sich der BVSK (Sachverständigen-Bundesverband) überwiegend richtet.